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21.6.03
Frühkritik von Harald Asel zu Der Ackermann und der Tod

Es hätten ruhig mehr Besucher sein können, die gestern abend in der Deutschen Oper dem Gastspiel der Staatsoper Prag beiwohnten. Denn mit Der Ackermann und der Tod von Emil Viklický war eine Produktion zu sehen, die erst im Januar ihre Uraufführung erlebt hatte. Gelegenheit also, sich zu informieren, was in der Hauptstadt unseres Nachbarlandes außer den internationalen Dauerbrennern und dem heimischen Dreigestirn Dvorak, Smetana, Janacek auf die Bühne kommt.
Ein alter Stoff; noch dazu einer, auf den Tschechen und Deutsche gleichermaßen Anspruch erheben, eben jenes Streitgespräch, das Johannes von Tepl, benannt nach seiner böhmischen Heimat, bald nach 1400 verfaßt hatte und das in zahlreichen Handschriften durch den oberdeutschen Raum wanderte.
Der Verlust seiner jungen Frau zwingt den Bauern zur Auseinandersetzung mit einem philosophisch geschulten Tod: ist die Sterblichkeit etwa nicht gerecht, da sie alle gleich macht? Ist das Aufbegehren gegen das Ende nicht berechtigt, da es in den Menschen die edelsten Fähigkeiten hervorlockt? Grimmiger tilger aller lande, schedlicher echter aller werlte, freissamer morder aller guten leute, ir Tot, euch sei verfluchet!, so lautet der Beginn des frühhumanistischen Textes. In einem stilisierten Spiel, fast einer barocken Rappresentatione gleichend, das Allegorische betonend,arbeiten der Komponist Viklický und sein Librettist und Regisseur Dusan Robert Parisek, die zeitunabhänge Wahrheit des Textes heraus. Hier wird Gericht verhandelt statisch die beiden Hauptfiguren, dazwischen, fleischgewordene Imaginationen ihrer Argumente, eine choreographisch dezent agierende Masse, der Chor, aus der sich nur einmal die tote Ehefrau herausschält. Ihr Gesicht war uns zuvor auf der Stirnseite der Bühne bereits überlebensgroß und in ihrer Wächsernheit gerade dadurch erschütternd erschienen. Emil Viklicky, der Komponist, kommt vom Jazz her. Seine Partitur vereint Elemente des Musicals mit dem Gesang großer Oper. Repetitive Strukturen erinnern an Orff oder Strawinsky, manche Wendungen auch an Kurt Weill, dann wieder hören wir im Orchester Tanzmusik oder Big Band-Behandlung von Instrumenten, auch mal etwas unverblümt Folkloristisches. Die so entstandene eklektizistische Musik schafft jenen offenen Raum, jene Projektionsfläche, auf dem sich das Gedankendrama entfalten kann. Wenn man vertraut mit Johannes von Tepl ist. Doch auch der des Tschechischen Unkundige stellt rasch fest, dass hier keine illustrierende, ausdeutende Musik gespielt wird.
Keine, die Erschütterung hervorruft. Die gut gemacht ist, aber eine Nuance zu kalkuliert und geschmackvoll bleibt. Einfallsreich mit den Mitteln umgehend, doch konservativ bleibend gegenüber den Anforderungen an den Hörer. Die improvisierte Übersetzung, auf der Seite projeziert, ließ allerdings nur erahnen, welche sprachliche Kraft der Text auch in Pariseks Fassung erhalten blieb.
Mit großem Einsatz wird gesungen und musiziert, das hohe Niveau der Einstudierung ist auch bei den durch den fremden Raum wie oft Gastspielproduktionen hervorgerufenen Irritationen in jedem Moment zu spüren. Lebhafter Beifall des oft sprachkundigen Publikums war der Dank. Für die Zukunft bleibt zu wünschen, daß der Austausch von Produktionen mit Tschechien weniger Seltenheitswert bekommt und an ihrer Wahrnehmbarkeit in Berlin gearbeitet wird. In der Zwischenzeit lohnt der nicht allzu weite Weg in das Nachbarland, wie diese Produktion der Staatsoper Prag zeigte.

Der Ackermann und der Tod; von Emil Viklický.