DAS PUBLIKUM UND DIE MUSIKER IN KOLLEKTIVER EUPHORIE.

Tschechen und Allgäuer ferien musikalische Versöhnungsparty beim zehnjährigen von Jazzinstitut und LAG Jazz im Beutel.

von Michael Scheiner, Mittelbayerische Zeitung, 3.4.2001

REGENSBURG. Wer wagt, gewinnt! Einmal mehr hat sich das zupackende Sprichwort bei der Begegnung der Bayerisch-schwäbischen "Kerberbrothers" und des tschechisch-mährischen " Emil Viklický Trio " bewahrheitet.Ein gemeinsames Konzert der unterschiedlichen Ensambles bildete Abschluss und durchaus auch Höhepunkt der Bayerisch-böhmischen Jazzbegegnung im Leeren Beutel, mit denen das Bayerische Jazzinstitut und die LAG Jazz Zehnjäriges feierten. Helle Begeisterung schlug den drei plus vier Musikanten entgegen, als sie zum Abschluss ihres gemeinsamen Auftritts jammten.Launig wies Trompeter Martin Kerber darauf hin, " dass im Jazz immer über einen Blues in F gespielt "werden könne,auch ohne vorher geprobt zu haben.Außerdem habe man "damit gerechnet,dass eine Zugabe notwendig wird", gab er mit verschmitztem Stolz preis. Frisch von der Leber weg,stimmte das Viklický Trio " Blue Train "an und die vier Bläser - Basist Tiny Schmauch vergriff sich bei dem Auftritt mehrmals an der Posaune - aus dem Allgäu improvisierten in Hochstimmung über den Standard. In einer wilden "Fours"- Jagd, bei der abwechselnd Schlagzeuger Lazlo Tropp mit jedem anderen kurze Solofolgen improvisierte,gipfelte das Konzert in kollektiver Euphorie. Tagsüber hatten sich die Instrumentalisten bei - eingestandenerweise - einem Wein bekannt gemacht und zusammen jeweils drei mitgebrachte Arrangements geprobt. Debei wurden grob Strukturen und Soloabfolgen vereinbart,mit denen man abends das bunt gemischte Publikum und gleichermaßen sich selbst überraschte. Das Ergebnis war allemal spannend.Vom " Staufener Musikantenmarsch " , den Kerbernbrüdern von ihrer Mutter geschrieben, "Vinko, vinko" ( Wein, Wein! ), bis zu Paul Desmonds weltberühtem Dauerbrenner " Take Five" im 5 /4- Takt kämpfte sich die bayrisch-böhmisch-mährische Symbiose durch unbekanntes Gelände und beschritt neue Wege. Holprige Übergänge und Einsätze fingen Viklický und seine wunderbaren Begleiter Frantisek Uhlir ( Bass ) und Laco Tropp -drums, mit sensiblem Gespür und routinierter Finesse auf. Gerade der Prozess des Entstehens und Findens, der durch diese Unwägbarkeit und Schwachstellen hör-und erlebbar wurde, machte das musikalische Experiment zu einem fesselnden Ereignis. Bereits am Abend zuvor hatten die Gruppen, in getrennten Konzerten, einige der Titel in ganz anderen Interpretationen vorgestellt.Für Zuhörer, darunter viele Tschechen, die sich den Genuss beider Abende gönnten, war dieser Wechsel der Hörperspektive ein besonderes Erlebnis. Entsprechend der Herkunft der Drei Kerberbrüder Andreas ( Komponist, Gitarre, Hackbrett, Frenchhorn ) ,Markus ( Saxafone, Klarinette ) und Martin ( Zither, Trompete, Akkordeon ) aus der alpenländischen Volksmusik, stachen bei ihrem Auftritt weltmusikalische ( früher: traditionelle ) Elemente und solche aus der aktuellen Popmusik stärker hervor. Beschwingt stimmten sie mit einem frölichen Jodler ein und versöhnten mit einer etwas artifiziell anmutenden " Versöhnungs-Polka " so ziemlich alles,was bisher auch nicht unversöhnlich nebeneinander stand:Jazz, alpenländische Volksmusik,Klezmer und orientalische Musiken.Whow! Ein bisschenviel.Rap und Funk gesellten sich dann auch noch dazu. Anderseits: So ganz ernst wollen die Allgäuer " Buam " mit trachtenmäßigen Westen überm weißen Hemd auch nicht immer genommen werden. Bleibt das Viklický Trio: Die Expessivität des modernen Jazz , kombiniert mit der melodischen Stärke und Tonalität mährischer Volksmusik.Dynamisch legt das Trio ein ungeheuer reich abgestuftes Spiel an den Tag,das seinesgleichen sucht. Virtuos Uhlir,der mit seinem behäbigen Instrument lockt,gurrt,singt und wirbt und den Ehrentitel "Paganini des Bass " sicher zu Recht trägt.